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Stadtplakette Plauen an Claus Weisbach

Wir sind heute hier zusammengekommen, um Herrn Claus Weisbach mit der Stadtplakette unserer und seiner Heimatstadt Plauen zu ehren. Das ist ein sehr schöner Anlass – insbesondere wenn man bedenkt, dass dies hier und heute undenkbar wäre, hätte es vor 20 Jahren nicht die Friedliche Revolution und in deren Folge die Wiedervereinigung Deutschlands gegeben.

Der zeitliche Rahmen einer solchen Laudatio birgt natürlich die Gefahr, das umfassende und produktive Wirken des zu Ehrenden nicht in allen Facetten angemessen zu beleuchten. Deshalb sei zunächst sozusagen der offizielle Teil vorangestellt.

Claus Weisbach engagiert sich seit vielen Jahren auf vielfältige Weise für Plauen. Unter anderem ist er Vorsitzender der Kammergruppe Plauen und Mitglied des Wettbewerbsausschusses der Architektenkammer Sachsen. Als Mitarbeiter in diversen Foren zur Stadtentwicklung und bei Architektenwettbewerben bringt er sein Fachwissen ein. So war er unter anderem Jurymitglied im Wettbewerb um die Gestaltung der Plauener Festhalle und des Deutschen Zentrums für Spitze und Stickereien. Claus Weisbach ist außerdem Sprecher des Forums Baukultur. Damit nimmt er beratenden Einfluss auf bauliche Entscheidungen, die in städtischen Ausschüssen getroffen werden. Mit seiner Stimme in der Initiative Kunstschule unterstützte er die Ansiedlung einer Außenstelle der Westböhmischen Universität Pilsen in Plauen.

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Mindestens ebenso interessant wie die Benennung und Beschreibung seines vielfältigen Engagements erscheint aber der Mensch hinter der Geschichte: der Mensch Claus Weisbach. Für mich geht eine seltsame Faszination von der Überlegung aus, wie das individuelle Schicksal, der Lebensweg eines Menschen ganz konkret von gesellschaftlichen Umständen, von der Zeitgeschichte geprägt wird. Und was den hier und heute zu ehrenden Claus Weisbach anbetrifft, so drängen sich zwei Fragen geradezu auf.

Die Eine: Wie wäre das Leben des Claus Weisbach wohl verlaufen, wenn es die unheilvolle Teilung unseres deutschen Vaterlandes als Folge des von den Deutschen angezettelten Zweiten Weltkrieges nicht gegeben hätte?

Und die Zweite: Wie wäre sein weiteres Leben wohl verlaufen, wenn es nicht die Friedliche Revolution von 1989 und in deren Folge die Wiedervereinigung Deutschlands gegeben hätte?

Zwei Mal wurde ich in jungen Jahren und noch weit vor der Wende mit dem Namen Weisbach konfrontiert. Mein Vater und mein Großvater waren in Zeiten, in denen der Besitz eines Schwarz-Weiß-Fernsehgerätes noch die absolute Ausnahme darstellte, also in den 50er Jahren, in einem Plauener Schmalfilmclub aktiv. Die Mitglieder dieses Clubs trafen sich regelmäßig in „Gebhardts Bierstube“. Die befand sich an der Neundorfer Straße gerade dort, wo heute das „Kartoffelhaus“ zu finden ist. Viele Vorhaben, die dort beim Bier besprochen wurden, kamen nicht über die Idee hinaus. Ein Projekt aber wurde doch realisiert: Es handelte sich um einen Kriminalfilm mit einer vergleichsweise einfachen Story mit einer wilden Verfolgungsjagd – natürlich zu Fuß – durch Alt-Plauen. Als Kind hat mich dieser Streifen so begeistert, dass ich ihn immer und immer wieder sehen wollte. Und in einer Sequenz dieses Filmes ist auch das Weisbachsche Haus zu sehen. Wer damals oder noch früher dort wohnte und was es mit diesem Gebäude auf sich hatte, davon hatte ich als Acht- oder Neunjähriger freilich noch keinen blassen Schimmer.

Und ein zweites Mal kam die Rede auf den Namen Weisbach im Sommer 1988. Auf einer Versammlung der damaligen Wohngebietsgruppe der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands im Preißelpöhl lauschte ich andächtig einem älteren Parteifreund, der von einigen bekannten Plauenern erzählte, die ihre Heimatstadt verlassen und „es im Westen zu etwas gebracht hatten“. Der Name Vocke fiel und der eines angesehenen Lehrers der früheren Gewerbeschule und ebenso auch der der Gebrüder Weisbach.

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Wer aber ist nun dieser Claus Weisbach? Zur Person – die Fakten:
Claus Weisbach wurde im Dezember des Jahres 1932 und damit noch zu Zeiten der Weimarer Republik in Plauen geboren. Es war – wie damals eigentlich üblich – eine Hausgeburt im Weisbachschen Haus.

Claus Weisbach wuchs in Plauen auf, er ging hier zur Schule, besuchte die Anger- und die Krause-, die Deutsch-Ritter- und die Friedensschule. Er hat die Schrecken des Krieges erleben müssen, hat erleben müssen, wie seine Geburtsstadt in Schutt und Asche versank. Vielleicht hat diese Erfahrung auch dazu beigetragen, dass sich Claus Weisbach ausgerechnet einen Beruf, ein Fachgebiet erwählte, das sich dem Aufbau, mit dem Entwerfen und Realisieren von Neuem in besonderer Weise verpflichtet fühlt. Er hat damals aber trotz all dieser schlimmen Erfahrungen doch immerhin die Gnade der so genannten „späten Geburt“ erfahren dürfen. So blieb ihm wenigstens der aktive Wehrdienst in einem ebenso verbrecherischen wie sinnlosen Krieg erspart.

Seine beruflichen Entwicklungschancen waren nach 1945 als Sohn eines Unternehmers – der Vater betrieb im Weisbachschen Haus eine Zwirnerei – recht bescheiden. Es war dies die Zeit, in der sogar kleinen privaten Geschäftsleuten die Lebensmittelmarken gestrichen wurden. Erst die Ereignisse um den 17. Juni 1953 brachten hier einige Korrekturen. Als Claus Weisbach einen seiner Lehrer nach den Möglichkeiten eines Studiums fragt, antwortete dieser: Die sehen ganz schlecht aus!

Was also tun?
Die Schwester der Mutter, die in Plauen bekannte Dr. phil. und Dr. med. Elisabeth Tröger vermittelt einen Platz in einem Landschulheim bei Heppenheim an der Bergstraße und so kommt es, dass Claus Weisbach im Alter von gerade einmal knapp 16 Jahren seine Heimatstadt Plauen verlässt. An der Odenwaldschule macht er im Jahre 1952 sein Abitur und nimmt anschließend in Frankfurt am Main eine Zimmererlehre auf. Nach zwei Jahren besteht er die Prüfung mit der Note 1 und schreibt sich anschließend zum Studium in Stuttgart ein.

Dass es gerade nach Stuttgart geht, dies lag vor allem daran, dass es in Baden-Württemberg im Gegensatz zu Hessen schon die Möglichkeit gab, ein Stipendium zu beziehen. Und doch ist Claus Weisbach zu jener Zeit finanziell nicht auf Rosen gebettet. Während der Lehre hat er zwar etwas ansparen können, aber es reicht nicht aus. Während andere sich im ersten Semester aufs Studium konzentrieren können, muss Claus Weisbach zwischendurch auf die Baustelle, um etwas hinzu zu verdienen.

Einmal mehr erweist sich schon hier, was auch auf spätere Lebensabschnitte zutrifft: Claus Weisbach ist nichts geschenkt worden. Was er erreicht hat, das hat er sich selbst hart erarbeiten müssen.

1959 schließt er sein Studium erfolgreich als Ingenieur für Architektur ab. 1961 macht er sich gemeinsam mit seiner Ehefrau Renate selbstständig und lässt sich in Stuttgart, später im nahen Böblingen mit einem eigenen Büro nieder. Er ist jung, gut ausgebildet, kreativ und engagiert, aber – und hier kommen wir auf die eingangs gestellte Frage zurück – er hat in seiner neuen Heimat noch keinen Namen, keine Beziehungen, über die Einheimische verfügen und die ihn selbst, hätte er im Vogtland und in Plauen bleiben können, durchaus beim Karrierestart im positiven Sinne hätten förderlich sein können. Das alles hatte Claus Weisbach also nicht. Aber es gab die Möglichkeit, sich über die Teilnahme an Wettbewerben zu profilieren und an Aufträge zu gelangen. Weisbach nutzte diese Chance, und wahrscheinlich sind hier schon die Wurzeln dafür zu finden, warum er sich über Jahrzehnte hinweg und auch heute noch für den Wettbewerbsgedanken in dem bekannten Maße engagiert.

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Es ist eine kleine, damals noch selbstständige Gemeinde namens Dagersheim, die zu Beginn der 60er Jahre ein neues Rathaus bauen möchte und dazu einen Wettbewerb ausschreibt. Eine städtebauliche recht komplizierte Lösung war gefragt, erinnert sich Weisbach noch heute. Er beteiligt sich und sein Entwurf liegt bei der Jury deutlich vorn. Seit 1971 ist Dagersheim nach Böblingen eingemeindet und das Rathaus steht immer noch. Und, meine Damen und Herren, wenn sie einmal in der Nähe weilen, können sie hinfahren, es anschauen und sagen: Das hat der Plauener Claus Weisbach gebaut.

Es kamen weitere Aufträge hinzu und bald ist Claus Weisbach wer in der Planer- und Architektenszene in und um Böblingen. Und – nebenbei bemerkt – das ist dort schon immer eine ganz besondere Gegend gewesen. Man könnte auch sagen, im „Ländle“ ticken die Uhren etwas anders, gibt es einen Grad an Bodenständigkeit und Kontinuität, der jene der Vogtländer noch zu übertreffen scheint. Die Stadthistorie weist für die letzten 61 Jahre lediglich zwei Oberbürgermeister aus: von 1948 bis 1986 regierte Wolfgang Brumme, seit 1986 übt Alexander Vogelgsang das Amt aus. Es soll Städte geben, die in einem einzigen Jahr schon drei Bürgermeister verschlissen haben. Um so mehr Respekt verdient es, wenn ein „Zugereister“ wie Claus Weisbach dort durch eigene Leistung überzeugen und Fuß fassen konnte.

Dabei ist sein weiterer Lebensweg nicht frei von einschneidenden Brüchen: Der Freude über die Geburt der beiden, heute 44 und 48 Jahre alten Töchter folgt der Schmerz über den frühen Tod der ersten Ehefrau im Jahre 1967.

Die Verbindung zur alten Heimatstadt Plauen hält Claus Weisbach ebenso wie seine mittlerweile im Westen lebenden Geschwister über all die Jahre aufrecht. Regelmäßige Besuche bei den Eltern waren verbunden mit demütigen Erfahrung teilweise schikanierender Grenzkontrollen. Und zu Hause in Plauen muss der Vater auf schmerzliche Weise zur Kenntnis nehmen, wie er als Unternehmer von der Staatsmacht mehr und mehr entmündigt und in seinem Wirken eingeschränkt wird.

In den späten 80er Jahren ist Claus Weisbach in einem Alter angekommen, in dem manche seiner Berufskollegen bereits darüber nachdenken, wohin sie sich „im Alter zurückziehen“. Die Toscana, die Algarve und die Bretagne sind die bevorzugten Ziele.

Nicht so für Weisbach. Die Wende von 1989 kommt, die Mauer fällt: Und plötzlich ist der Weg in die alte Heimat wieder uneingeschränkt offen. Es spricht für den Plauener, den Vogtländer Claus Weisbach, der zu jener Zeit auch lukrative Projekte in Baden-Württemberg begleitet – genannt seien mit dem Gelände der damals bevorstehenden Landesgartenschau in Böblingen und dem Ökumenische Gemeindezentrum Diezenhalde hier nur zwei seinerzeit aktuelle Aufgaben -, dass er seine Fachkompetenz auch beinahe sofort hier zu Lande einbringt. Der Städtebauliche Wettbewerb zur Gestaltung der Innenstadt von Adorf mit dem Marktplatz und den umliegenden Straßen sei genannt, der mit der WGS gemeinsam realisiert wurde.

Im September 1994 erfolgt der endgültige Umzug von Böblingen nach Plauen. Begründung: „Wenn sich solch epochale Veränderungen ergeben, dann muss man ganz einfach dabei sein.“ Claus Weisbach und seine Ehefrau Monika nehmen ihren Wohnsitz an der Bärenstraße in einem ehedem ebenfalls im Familienbesitz befindlichen Haus. Bruder Bernhard ist ebenfalls zurückgekehrt. Er wohnt im Weisbachschen Haus, dem sich die Brüder besonders verpflichtet fühlen.

Um noch einmal auf die eingangs gestellten Fragen zurückzukommen – und ich weiß, dass wir uns hier natürlich in gewisser Weise im Bereich des Spekulativen bewegen: Hätte es die Teilung Deutschlands nicht gegeben, so ist anzunehmen, dass der junge Claus Weisbach den Start ins Berufsleben in seiner Heimatregion vollzogen hätte.

Und um es einmal zugespitzt zu formulieren: Hätte es die Teilung nicht gegeben, würden heute zumindest zwei Rathäuser in Deutschland anders aussehen: Das von Dagersheim bei Böblingen und das in Plauen. Über das Erste möchte ich kein Urteil fällen, für das zuletzt genannte wäre dies aber gewiss nicht von Nachteil gewesen, denn hier bestätigt sich einmal mehr: Ein Wettbewerbsverfahren – mit allen durchaus denkbaren kontroversen Diskussionen und Meinungsstreits – hätte auf jeden Fall eine bessere Lösung gebracht als jene von dem in den 70ern errichteten Glaskasten, in dem der Plauener Stadtrat auch heute nachmittag noch seine Sitzung fortsetzen darf und von dem selbst die Konstrukteure des VEB Stahlbau Plauen im Metallleichtbaukombinat damals gesagt haben: „Hättet Ihr doch bloß mal uns gefragt. Eine solche Geisterbahn (ob des seinerzeit obendrein recht bunten Anstriches) hätten wir Euch nicht dahingesetzt!“

Aber auch was dieses Gebäude anbetrifft, sind wir guten Mutes, in den kommenden Jahren eine ordentliche Lösung anstreben zu können – trotz aller derzeitigen finanziellen Unwägbarkeiten, auf die uns die Stadtkämmerin heute am Nachmittag noch hinweisen wird. Und auch hier, wie bei manch weiterem Vorhaben, freuen wir uns schon auf die konstruktive und kritische Begleitung von Claus Weisbach und seinen Kollegen.

Und so sei unterm Strich festgestellt:
Es war gut und richtig, dass in Folge der Friedlichen Revolution von 1989 die Wiedervereinigung Deutschlands vollzogen werden konnte. Dieser Schritt hat nicht nur der Gesellschaft insgesamt, sondern auch vielen Menschen neue Optionen und Perspektiven eröffnet.

Es war nicht nur gut und richtig, sondern für die Stadt Plauen und das Vogtland auch eine überaus glückliche Fügung, dass Claus Weisbach und seine Familie den Entschluss fassten, sich wieder in Plauen niederzulassen. Sie haben in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten hier sehr fruchtbringend gewirkt, Bleibendes geschaffen und deutliche Spuren hinterlassen.

Und deshalb ist es auch gut und richtig, in Anerkennung seiner bisherigen Lebensleistung Herrn Claus Weisbach heute mit der Stadtplakette seiner und unserer Stadt Plauen zu ehren.

 

Laudatio: Sven Gerbeth, Fraktionsvorsitzener FDP

 

2009-10-15

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