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Corona-Zahlen im Vogtland trotz Lockdown kaum rückläufig

Interview mit Dr. Ilka Böhme, Leiterin der Corona-Teams im Vogtlandkreis

Trotz eingeschränkten Lockdowns gehen die Zahlen der mit dem Coronas-Virus Infizierten und der mit oder an dem Erreger verstorbenen Personen kaum zurück. Dazu das aktuelle Interview mit Dr. Ilka Böhme, Sachgebietsleiterin Hygiene und Umweltmedizin sowie Leiterin der Corona-Teams im Landratsamt des Vogtlandkreises.

Interview mit Dr. Ilka Böhme, Leiterin der Corona-Teams im Vogtlandkreis

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Frau Dr. Böhmwe, wie ist die aktuelle Corona-Situation im Vogtlandkreis?
Dr. Ilka Böhme: Wie man anhand der Homepage und der Zahlen, die dort täglich aktualisiert werden, sehen kann, kommen täglich bis zu 100 Neuinfektionen hinzu. Hinzu kommt eine Inzidenz von über 100, mit der wir leben müssen.
Das ist eine Mammutaufgabe, die Infektionsketten zu ermitteln und zu bewältigen, das heißt, zu unterbrechen.

Kann man was über Schwerpunkte im Vogtland sagen?
Dr. Ilka Böhme: Eigentlich verzeichnen wir eine flächendeckende Infektion im Vogtland. Allerdings ragen einige Städte wie etwa Plauen heraus, in der es über 100 aktive Fälle gibt.

Was ist das Hauptproblem?

Dr. Ilka Böhme: Die Hauptschwerpunkte liegen jetzt in den Einrichtungen für Senioren und Krankenhäuser. Das macht uns diesbezüglich schon Probleme. Schließlich betrifft es auch Personal, welches dort arbeitet. Diese Einrichtungen kommen organisatorisch oft an ihre Grenzen. Des Weiteren sind es dort auch jene Patientengruppen, die bereits an Vorerkrankungen leiden.

Was können die Vogtländer selbst tun, um dieser Entwicklung zu begegnen?
Dr. Ilka Böhme: Vogtländer sollten sich solidarisch an die Grundregeln halten. Gut zu merken: A-H-A-L, Abstand, Hygiene, Alltagsmaske und Lüften! Das Problem mit dieser Pandemie ist wirklich, dass es eine sich verändernde Infektionskrankheit ist. Diese wird über Aerosole (Tröpfchen) übertragen. Dieser Schutz davor ist notwendig, bis ein Impfstoff auf dem Markt und verfügbar ist.

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Wo liegt das Problem bisher?
Dr. Ilka Böhme: Die meisten Menschen zeigen entweder gar keine oder nur geringe Symptome und verteilen die Erreger so ungewollt an zweite, die möglicherweise kein so gutes Immunsystem haben.

Ihr Ratschlag?
Dr. Ilka Böhme: Jeder sollte denken, er könne das Virus in sich tragen oder wolle es nicht. Und: Jeder müsse sich hinterfragen: Muss der nächste Kontakt überhaupt sein? Und wenn ja, kann er nicht durch einen Anruf erledigt werden? Leider hat eben niemand eine rote Nase oder Fieberkrämpfe, an denen man erkennen könne, dass die betreffende Person infiziert ist.

Das heißt anders gesagt?
Dr. Ilka Böhme: Viele Menschen tragen möglicherweise symptomlos das Virus in sich, aber an einem ganz gewissen Punkt kumuliert die Situation. Das ist dann bei einem Mehrfach-Ausbruch sehr schwer zu händeln. Es gilt, dass wir das, was wir derzeit noch an Normalität haben, nicht auch noch aufs Spiel setzen.

Mit Normalität meinen Sie was?
Dr. Ilka Böhme:…dass Schulen geöffnet bleiben und auch die Unternehmen weitestgehend arbeitsfähig bleiben können.
Für viele Menschen ist der Mund-Nasenschutz eine erhebliche Einschränkung…
Dr. Ilka Böhme: Ja, ich weiß dass, aber es ist wirklich ein Erfordernis, diesen korrekt zu tragen. Es ist sogar unabdingbar.

Wie hat sich die Lage im Gesundheitsamt verändert?
Dr. Ilka Böhme: Wir erinnern und noch an die Lage im Sommer. Abnehmende Werte und der Gedanke an ein Abflauen der Infektionsraten. Bereits im September wurden wir eines besseren belehrt. Wir haben reagieren müssen.

Wie sahen diese Reaktionen aus?
Dr. Ilka Böhme: Wir haben das Team im Gesundheitsamt wieder mit mehr Mitarbeiten erweitert. Parallel dazu haben wir Untersuchungen im jugendzahnärztlichen und kinder- und jugendärztlichen Bereich zurückgefahren. Der Arbeitsaufwand hat sich um ein Vielfaches erhöht. Diesbezüglich haben wir uns auch mittels externer Kräfte verstärkt.

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Das heißt im Detail?
Dr. Ilka Böhme: Wir haben zeitlich befristete Kräfte eingestellt, aber auch Mitarbeiter der Landesdirektion und der Polizei helfen uns hier sehr engagiert. In den nächsten Tagen unterstützen uns auch Beamte aus dem Finanzamt.

Wieviele Mitarbeiter stehen also insgesamt zur Verfügung?
Dr. Ilka Böhme: Etwas über 100 Mitarbeiter in kleinen Teams arbeitend. Quasi fast eine Verfünffachung der bisherigen Sollstärke.

Wie geht es denn den Mitarbeitern im Gesundheitsamt?
Dr. Ilka Böhme: Wir würden uns sehr wünschen, dass an einigen Stellen durch die Bürger mit überlegt wird. Wenn bei einem Hausarzt ein Abstrich gemacht wurde und der am Ende möglicherweise positiv ist, vorher bereits prophylaktisch Kontakte unterbindet. Denn wenn ich Symptome habe und gehe zum Arzt, so liegt ja bereits der Verdacht auf eine Infektion nahe. Zu viele Bürger warten aber tatsächlich das Ergebnis erst einmal ab und gehen erst dann unabdingbar in Quarantäne. Bis dahin können sie aber Dutzende andere Menschen angesteckt haben, die man nicht mehr mittels einer Liste nachverfolgen kann.

Wie sieht es mit dem Grundwissen der Bürger hinsichtlich der Quarantäne aus?
Dr. Ilka Böhme: Ja, das ist auch eine Problem. Viele Bürger wissen beispielsweise nicht, welche Quarantänelänge für sie gilt, wenn ich a) Kontaktperson oder b) infiziert bin.

Ein paar Worte zum vorherigen Ablauf?
Dr. Ilka Böhme: Wenn wir einen positiven Befund eines auf Corona getesteten Bürgers bekommen, nehmen wir telefonisch den Kontakt auf. Ganz wichtig: WIR nehmen den Kontakt auf! Während dieses telefonischen Rückrufes klären wir alle möglichen Kontakte ab, die länger als 15 Minuten zurückliegen, in einem abgeschlossenen Raum und von Angesicht zu Angesicht stattfanden. Im Rahmen dieses Gespräches müssen wir herausfinden, ob sich bei dieser Person etwas kumulatives, also erweiternd infizierendes Kontaktschema ergeben könnte.

Könnten Sie dies erklären?
Dr. Ilka Böhme: Nun, sollte ich positiv getestet worden sein, so muss ich 10 Tage in Quarantäne. Für alle jene, bei denen der Verdacht auf eine Ansteckung seitens eines bereits Infizierten besteht, so muss dieser 14 Tage in Quarantäne. Die Quarantäne endet mit einer 48-Stunden-Symptomfreiheit.

Wie sieht das mit Kontaktpersonen in der Familie aus?
Dr. Ilka Böhme: Wenn diese Kontaktpersonen innerhalb der Familie keinen direkten Kontakt zur infizierten Person haben, sind diese nur Kontaktpersonen zweiten Grades. Sie sind somit nicht der häuslichen Isolierung zuzuführen.

Gelingt es Ihnen, Kontaktpersonen und -orte immer zu ermitteln?
Dr. Ilka Böhme: Leider nicht. Wir versuchen jedoch dies weitestgehend zu tun und in Richtung Zukunft zu arbeiten.

In Richtung Zukunft?
Dr. Ilka Böhme: Ja, schließlich reden wir von einer Inkubationszeit von 14 Tagen. So ist es also möglich, dass der Infizierte bereits zwei Tage vor dem Abstrich jemand anders angesteckt haben könnte. Bei der Kontaktpersonenermittlung wird jetzt geschaut, ob der Infizierte bereits corona-positive Symptome hatte. Wenn er dies eindeutig bejaht oder beschreiben kann, schauen wir dann zwei Tage ab Symptombeginn zurück. Die möglichen Kontakte in diesem Zeitraum verifizieren wir dann und nehmen unsererseits den Kontakt auf. Dabei ist es egal, ob es Kontakte im privaten oder beruflichen Bereich waren oder sind.

Und was passiert, wenn jemand symptomlos positiv getestet wurde?
Dr. Ilka Böhme: Auch bei diesem ermitteln wir zwei Tage rückwärts zum Test.
Innerhalb der ersten 24 Stunden nach Erhalt des Ergebnisses kontaktieren wir dann die Person. Deshalb ist es ganz wichtig – wenn ein Abstrich erfolgt ist – sich so gut wie es geht zurückzunehmen, was die Kontakte angeht.

Wie kommt es aus Ihrer Sicht zu der Unterschiedlichkeit der Darstellung von Fall- und Inzidenzzahlen auf der Vogtlandkreis-Website, dem RKI und Nachrichtensendern?

Dr. Ilka Böhme: Hier spielt auf der einen Seite eine Zeitverzögerung der gemeldeten Zahlen und auf der anderen Seite eine Zahlenbearbeitung in den Programmen der nächsten Empfänger, wie die Landesdirektion oder das RKI, eine Rolle. Wer sicher gehen will, sollte auf vogtlandkreis.de gehen, um hier die aktuellen regionalen Zahlen einsehen zu können.

Kann man das nicht anders steuern?
Dr. Ilka Böhme: Ja, es ist aktuell geplant, eine bundesweite Angleichung zu vollziehen. Mit dieser müssten sich die Zahlen aller darstellenden Medien und Organisationen egalisieren. Ich sage es noch einmal. Die aktuellsten regionalen Zahlen und Tipps für alle Bürger, die sich zeitnah informieren wollen, stehen auf www.vogtlandkreis.de. (vl)

2020-11-20

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