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Die Plauener Schützen

Spitzengeschichte 05

Dass in einer spätmittelalterlichen Stadt das starke Geschlecht hin und wieder zu den Waffen griff, entsprach dem reinen Selbsterhaltungstrieb. Denn wer sonst sollte dem Feind Gegenwehr bieten, wenn der waffenstarrend vor den Toren aufmarschierte? Also übten die Männer zum Zwecke der Verteidigung gemeinsam mit der Armbrust, später mit Feuerbüchsen, und schlossen sich zu Schützenvereinen zusammen.

In Plauen geschah das vor ungefähr 600 Jahren. Ob tatsächlich anno 1406, dafür gibt es keinen schriftlichen Nachweis. Die Zahl hat jedoch Tradition. 1906 feierte die Privilegierte Plauener Schützengesellschaft (privilegiert, weil die Mitglieder ursprünglich für ihren Dienst an der Stadt Steuerprivilegien genossen) ihr 500-Jähriges, 1931 gab es ebenfalls einen großen Aufmarsch zum 525-Jährigen, und das Pfingst-Fest anlässlich des „600-jährigen Bestehens des Schützenwesens der Stadt Plauen“ liegt erst ein paar Wochen zurück.

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Die Jahreszahl 1406 wurde bislang aus einer Protokolleintragung der Plauener Schützengilde vom Februar 1803 abgeleitet. Nach der, so die bisherige Deutung, gibt der Oberschützenmeister und spätere Bürgermeister Carl Fürchtegott Eberhardt das Alter der Plauener Schützengesellschaft mit 398 Jahren an. Wahrscheinlich falsch, meint Wolfgang Schrader. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter des Vogtlandmuseums hat die zurzeit laufende Sonderausstellung über die Plauener Schützengeschichte im Museum konzipiert und dazu die Protokollnotiz neu ausgewertet.

Darin stehe, dass die „hiesige confirmierte Schützengesellschaft“ nur wenig älter sei als „ das … vor wenigen Jahren hergerichtete Jäger-Corps“. Was Eberhardt unter „wenigen Jahren“ verstand, bleibt im Dunkel, ebenso das Gründungsjahr jenes Corps. Glaubt man der Quelle aus dem Stadtarchiv, dann müsste die Schützengesellschaft wohl zwischen 1390 und 1395 entstanden sein, schätzt Schrader.

Ebenfalls nicht dokumentarisch verbürgt ist das Jahr 1430, in dem ein Schützenmeister namens Merten bei der Verteidigung der Stadt gegen die Hussiten auf dem Hradschin ums Leben gekommen sein soll. Erwähnt wird dieses durchaus wahrscheinliche Ereignis erst viel später, 1598 in der Münsterschen Kosmographie.

Schon im 15. Jahrhundert bedeutete es nicht immer blutigen Ernst, wenn ein Mann zur Armbrust griff. Meistens legten die Schützen zum Üben an, auf einen aus Holz oder Leder gefertigten Vogel, der auf einer hohen Stange befestigt war. In Plauen schulten die Schützen ihr Zielvermögen auf dem Elsteranger (rechte Flussseite, Nähe Stadtbad).

 

Plauener Schützen

Plauener Altmarkt 1939: Letzter Aufmarsch der Schützengesellschaft vor dem Krieg. Erst 57 Jahre später zogen die Schützen wieder durch die Stadt zum Festplatz. Foto: Manfred Rohde 

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Auch städteübergreifende Wettkämpfe gab es schon. Wie die Plauener Waffengänger dort abschnitten, wissen wir nicht. Überliefert ist nur, dass sie dabei gewesen sind. So feuerten 1489 in Zwickau bei einem großen Schützenfest zu Ehren von Kurfürst Friedrich dem Weisen auch Plauener Teilnehmer ihre Armbrüste ab. Ebenso traten bei einem Büchsen- und Scheibenschießen 1540 in Hof und dem Zwickauer Fürstenschießen von 1573 Schützen aus Plauen in den Schießstand. Etwa aus dieser Zeit, vom 4. Juni 1579, stammt auch der erste urkundlich belegbare Nachweis über eine Schützengesellschaft in Plauen.

Als sich Mitte des 16. Jahrhunderts die Handfeuerwaffen verbreiteten, gründete sich in Plauen die Gilde der Scheiben- und Büchsenschützen. Deren Mitglieder trafen sich zum Übungsschießen in der Neundorfer Vorstadt (heute Dobenaustraße). Hier schossen sie über das Tal der Syra hinweg nach einer am Berg aufgestellten Scheibe. (Der ansteigende Fußweg zwischen Melanchthon- und Weststraße heißt noch heute Schießberg.)

Zum Schutz vor schlechtem Wetter bauten sich die Schützen eine Unterkunft aus Holz (vermutlich Ecke Dobenau-/Theaterstraße). Die fiel 1632 der Zerstörungswut von Holks Söldnern zum Opfer. Nach dem 30-jährigen Krieg wurde das Schützenhaus 1662 neu errichtet, Herzog Moritz spendierte das Bauholz.

Zu Wettkämpfen wurde auf eine Entfernung von 260 Ellen (150 Meter) mit gezogenen Rohren und Schwarzpulver auf Fichtenholzscheiben geschossen. In die Mitte des mit den verschiedensten Motiven bemalten Rundbrettes schlug man einen Nagel. Wessen Schuss dem am nächsten kam, der durfte sich Schützenkönig nennen – und hatte die neue Scheibe zu stiften. Als absoluter Meister im Umgang mit der Büchse galt, wer einen Treffer auf den Nagelkopf setzte.

Bei solchen Vergleichen blieben die Plauener Schützen nicht immer unter sich. An größeren Schießen wie dem im Jahre 1670 nahmen auch Delegationen aus Adorf, Oelsnitz, Hof und Markneukirchen sowie die Rittergutsbesitzer von Reusa, Chrieschwitz, Oberlosa, Kauschwitz und Syrau teil.

Wurde öffentlich geschossen, kam viel Publikum zusammen. Musikanten spielten, man schenkte Bier aus, würfelte, Karusselle drehten sich. Es entstanden Volksfeste.

Zu verteidigen gab es für die Plauener Schützen spätestens im 18. Jahrhundert nichts mehr, Stadtmauern und Einwohnerwehren hatten als Schutzmaßnahmen ausgedient. Dennoch galt es dann und wann, ehrenhafte Pflichten zu erfüllen. Im September 1812 mussten die Schützen Napoleons Munitionsnachschub für den Russlandfeldzug bewachen, der in Thiergarten Halt machte. Ende Februar 1813 bezog Friedrich August I, von Napoleons Gnaden seit 1806 König der Sachsen und immer noch mit dem Franzosenkaiser verbündet, in der damaligen Jüdengasse (Nobelstraße) für vier Wochen Quartier. Auf der Flucht hatte der Monarch seine Familie und mehrere Minister im Schlepptau. Zum Schutz der hohen Gäste zogen tagsüber drei, nachts sechs Schützen vor dem Haus auf.

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Zu jener Zeit hatte die Plauener Schützengesellschaft schon ein neues Domizil. Auf dem Anger am rechten Elsterufer war 1804 ein aus Stein gebautes Schützenhaus eingeweiht worden. Zwei Jahre zuvor hatte Gesellschaft ihre fast 150 Jahre alte Schützenordnung völlig umgekrempelt, die 1839 erneut von einem stark überarbeiteten Statut abgelöst wurde. Die 1841 gedruckten „Conventionalgesetze der Schützengesellschaft in Plauen“ enthielten, der deutschen Gründlichkeit sei Dank, 163! Paragraphen. Prinzipiell konnte jeder Mitglied bei den Schützen werden, wenn er mindestens 21 war, in Plauen wohnte und „in dem Rufe eines gesitteten und braven Mannes“ stand. Weitere Punkte regelten unter anderem die Rechte und Pflichten der Mitglieder, die „Gesellschaftsvergnügungen“ wie das große Vogelschießen, das Königsscheibenschießen und das wöchentliche Übungsschießen, oder auch Strafen bei Verstößen gegen die Satzung. Das mit der Teilnahme für jedermann war allerdings mehr Theorie, denn die Schützenbrüder mussten ihre Waffen selbst anschaffen, weshalb dieses Hobby für ärmere Leute kaum in Frage kam.

Geschossen wurde am Anger sieben Jahrzehnte – bis am 4. Juli 1875 eine abprallende Kugel eine 60-jährige Frau tödlich verletzte. Der Stadtrat untersagte daraufhin jede weitere Schießübung. Sieben Wochen nach dem Todesfall passierte ein weiteres Unglück: Das Schützenhaus brannte ab.

Ein neues Gelände wurde nötig. 1876 erwarb die Schützengesellschaft ein Grundstück an der damaligen Stadtgrenze in Richtung Reusa. Bis zur Grundsteinlegung für das neue Schützenhaus, den „Treffer“ dauerte es noch sieben Jahre. Zu Pfingsten 1884 feierten die Plauener die Eröffnung mit einem großen Schützenumzug. Gekostet hat das Schützenhaus, das den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstand, seinerzeit etwas über 85.000 Mark.

Auf dem neuen Schießstand am „Treffer“ richteten die Plauener Schützen 1889 das XII. Mitteldeutsche Bundesschießen aus. Etwa 1.000 Schützen bevölkerten die Stadt. Die gastgebende Schützengesellschaft ließ sich nicht lumpen und nahm zur Finanzierung der Chose einen Kredit über 15.000 Mark auf, mit dessen Rückzahlung sie bis 1913 zu tun hatte. Nicht ganz so viele, aber immerhin 600 Schützen nahmen zum 7. Wettiner Bundesschießen 1906 die Scheiben in der Anlage am „Treffer“ ins Visier.

Jährlicher Höhepunkt für die Plauener Schützen war das Königsschießen. Der Sieger durfte sich mit einer Schützenkette schmücken. Zwischen 1810 und 1938 fand es fast ohne Unterbrechung statt; nur während des Ersten Weltkrieges pfiffen die Kugeln anderswo als auf dem Plauener Schießstand durch die Luft.

Nach 1918 kam das Vereinsleben aber wieder in Gang. 1925 baute die Schützengesellschaft die Schießanlage für 25.000 Reichsmark um. Auf den modernisierten Ständen schoss ab 1928 auch der vogtländische Zimmerschützenbund. Die Zimmerschützen benutzen Luftdruckwaffen auf eine Entfernung von zehn Metern.

Nach 1945 war erst einmal Schluss mit dem Vereinswesen im Osten Deutschlands. Weiter geschossen wurde ab den 50er Jahren trotzdem am „Treffer“, nun unter dem Dach Gesellschaft für Sport und Technik. Die Plauener leisteten gute Nachwuchsarbeit und brachten einige Schützen hervor, die zu nationalen und internationalen Meisterehren kamen: Harry und Erna Köcher, Dieter Munzert, Ulrike Mehlhorn, Ingrid Krafczyk und Isolde Thormann.

Das enteignete Gelände der Schützengesellschaft, immerhin 7,5 Hektar, bekam der am 22. Februar 1990 neu gegründete Schützenverein Treffer nach der Wende zwar nicht zurück, dafür darf er wenigstens für sich in Anspruch nehmen, die Nummer eins im Vereinsregister des Plauener Gerichtes zu sein. Die Mitglieder, aktuell sind es 80 zwischen 12 und 86 Jahren, tragen Wettkämpfe aus und schießen wie früher um die Trophäe des Schützenkönigs. 1996 ließ der Verein den traditionellen Festumzug wieder aufleben, die Neuauflage 2006 liegt erst ein paar Wochen zurück. PbK

Die Spitzengeschichten werden Ihnen präsentiert vom Historikus Vogtland. >> zum Historikus Vogtland

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