Spitzengeschichte 33
Anton Friedrich Falke (Falkestraße) gehörte neben Fedor Schnorr zu den Pionieren der Maschinenstickerei in Plauen. Bereits 1862 gründete er in der Gartenstraße ein Stickereigeschäft mit 13 Handstickmaschinen: Vier Jahre später trat sein Sohn Bruno Falke in das Geschäft des Vaters als Lehrling ein. Vorgebildet auf dem Gymnasium und der Handelsschule, mit Sprachkenntnissen ausgestattet, ging er schon bald auf Reisen nach dem Ausland. Auf einer Rückfahrt von Neuyork nach Deutschland landete sein Dampfer in Queenstown (Irland). Müßiggang nicht gewohnt, begab sich Bruno in geschäftlichen Dingen nach Belfast. Dort legte man ihm zwei irische Spitzen mit der Bemerkung vor: “Wir könnten Millionen Yards brauchen, wenn diese Spitzen zehnmal billiger hergestellt werden könnten”.
Der Sticker Prager, so steht es im Lohnbuch der Firma, vollbrachte dies Kunststück auf der Kappelmaschine Nr. 466. Den Arbeitsgang des Entfernens des Grundstoffes übertrug Falke der “Bleicherei Münzing”. Während Falke dem Plauener Fieber der Tüllspitze verfallen war, hatte sich die St. Gallener Firma “Wetter-Frères”, die das Verfahren schneller und in ganzer Bedeutung erkannte, als Patent “Nr. 17 903, -Vorrichtung zur Herstellung durchbrochener Stickereien an der Heilmannschen Stickmaschine-” bereits am 23. August 1881 patentieren lassen. Auch beim Patent um den Ätzvorgang. hatten die Schweizer die Nase vorn. In Plauen hatte sich der Fabrikant Bruno Neubauer im Verein mit dem Chemiker Prof. Dr. Forster um ein Beizverfahren verdient gemacht. Bereits Anfang der 1880-er Jahre richtete er eine “Beizabteilung” in Plauen ein, die von seiner Frau Margarethe geleitet wurde. Firmen wie “F.A. Mammen & Co.” Und “G.A. Jahn” ließen bei Neubauer ausbeizen. Sein Patentantrag vom 20. September 1883 “Nr. 929, betreffend -ein neues Verfahren, durchbrochene Stickerei herzustellen-” wurde vom Reichspatentamt jedoch abgelehnt. Er entsprach der genauen Kopie des Patentes, das schon im Besitz der Schweizer Firma “Wetter-Frères” war. So muss anerkannt werden, dass in der Frage der Herstellung durchbrochener Spitzen (Luftspitzen) die Priorität der Schweiz zuzuerkennen ist. Allein; dies nützte der Schweiz nichts.
Plauen, die Stadt der Weißstickerei, wurde, auch St. Gallen überflügelnd, zur Spitzenstadt schlechthin. Ihre junge Spitzenindustrie nahm einen Aufschwung, wie er kaum seinesgleichen kennt. Bedeutenden Anteil daran hatte die Firma “J.C. & H.Dietrich” in der Trockentalstraße, die den Kampf um die hochmoderne Schiffchenstickmaschine zwischen St. Gallen und Kappel für sich entschied. Wurden im Jahr 1883 in Plauen bereits 33 Schiffchenstickmaschinen aufgestellt, verfügte der vogtländische Industriekreis 1911 über 15.000 Maschinen, “aus Raumnot” stellen pfiffige Unternehmer sogar im Tanzsaal des neu errichteten Hotels “Wettiner Hof” Stickmaschinen auf, Schweizer Firmen gründen hier Niederlassungen, ein US-amerikanisches Konsulat hatte sich 1887 in der Tischendorfstraße 25 eingerichtet. Der Export allein nach Amerika sollte von 1891 (1.9 Millionen Mark), in 1902 auf 13.1 Millionen Mark anwachsen; Tendenz rasant steigend. Wie Plauener Spitzen, gelangte der Begriff “Plauener Maschinen” in dieser Zeit zu Weltgeltung. Doch dies ist bereits eine andere Geschichte.
Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit. (ce)