Spitzengeschichte 34
Es waren die Namensvettern Johann Conrad Dietrich (Dietrichstraße) jener Meister aus der Schweiz, der es bei Albert Voigt zum technischen Direktor gebracht hatte und sein sächsischer Schüler Hermann Dietrich, die für Plauen bald Geschichte schrieben. Schon zwei Jahre darauf zogen sie in der Trockentalstraße eine eigene Fabrik mit 250 Arbeitern und Monteuren auf und produzierten im ersten Jahr 235 neue Handstickmaschinen. Da die beide bei ihrer Reise von Kappel nach Plauen die Technologie einer neuen Stickmaschinengeneration bereits im Gepäck hatten, konnte die Konkurrenz in Plauen und Umgebung im Wandel zur Schiffchenstickmaschine in keiner Weise bestehen. Die Dietriche hatten das Monopol. Vor allem der Alte Dietrich -er muss der “Uhrmacher” unter den Stickmaschinenbauern gewesen sein- baute Maschinen der feinsten, solidesten und stabilsten Art.
Hatten sich seit Jahren Kappel und die Schweiz um die Schiffchenmaschine bemüht, die Dietriche stellten alles in den Schatten und erarbeiteten sich so neben den weltweit führenden, der Schweizer Firma “Saurer & Söhne” und ihrer eigenen Mutterfirma, einen achtunggebietenden Platz. So geschah es, dass in den für Plauen magischen zehn Jahren von 1881 bis 1891 die Einfuhr Schweizer Maschinen nach Deutschland stark zurück ging, schließlich ganz verebbte, der Weltmarkt aber, selbst der Schweizer, förmlich nach sächsischen, vor allem Plauener Maschinen, schrie. Die Schweiz selbst wurde zum Hauptabnehmer. Wie später die Spitzen, wurden Plauener Maschinen im Ausland unter diesem Markennamen weltberühmt. Nur im Sog und im Dialog mit dieser soliden Entwicklung Dietrichscher Maschinenmeisterschaft konnte sich der Wirtschaftsraum Plauen, wie kein anderer auf der Welt, zu den Höhen der Tüll- und Luftspitze in schier unendlichem Facettenreichtum wie einmaliger Qualität entwickeln.
In den darauffolgenden zwölf Jahren kannte wirtschaftlicher Erfolg hier keine Grenzen mehr. Das Leben pulsierte fieberhaft, die heutigen Stadtteile wuchsen aus dem Nichts, das Café Trömel wurde für Fabrikanten und Falschspieler eine Europäische Adresse, Plauener Mädchen gelangten zu überregionalem Ruhm, Tonnen täglicher Postsendungen in alle Welt konnten die Postämter kaum bewältigen. Plauener Baumeister, wie Architekten damals noch hießen, entdeckten den “Stile Florale”, den Baustil des Jugendstils, der im Reich schon den Höhepunkt überschritten hatte. Baugenehmigungen wurden binnen Wochenfrist entschieden, die Stadt glühte, ihre Einwohnerzahl schwoll auf über 128 000 Bürger, eine aufstrebende Jüdische Gemeinde konnte sich entwickeln. Aus Plauen wurde im Sog der Maschinen und der Spitzen die Stadt des Jugendstils schlechthin, eine der schönsten Städte Europas.
Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit. (ce)