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Die Plauener Hobby-Ornithologen

Spitzengeschichte 10

Die stürmische industrielle Entwicklung und die rasche Verstädterung der Bevölkerung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nagten kräftig an den Ressourcen der Natur und den Umweltbedingungen in unserer Heimat. Viele besorgte, der Heimat und der Natur verbundene und zukunftsorientierte Menschen betrachteten diese Situation schon damals bewusst kritisch. Immer mehr setzte sich die Erkenntnis durch, dass für den Schutz der Natur aktiv etwas getan werden müsse.

Wie im gesamten Deutschen Reich, so haben auch in Plauen diese Bestrebungen ihren Niederschlag in der Bildung von Vereinen gefunden, die sich den Schutz der natürlichen Tier- und Pflanzenwelt zur Aufgabe machten.

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Im März 1875 fanden sich 16 Plauener Bürger zusammen, um einen Verein zu gründen, der seine Zielsetzung im Schutz der heimischen Singvögel haben sollte. Als Vereinsname war „Schutzverein für Singvögel“ vorgesehen. Zur Gründungsversammlung am 8. April 1875 haben die Aktivisten der ersten Stunde aber die Aufgabenstellung für den Verein erweitert und sich darauf geeinigt, „der Verein möge sein Bestreben auch dahin richten, dass die Anpflanzungen vor frevelhafter Zerstörung bewahrt bleiben…“. Mit der Erweiterung der Zielstellung und Aufgaben wurde auch der ursprünglich vorgesehene Name geändert und der Verein als „Verein der Naturfreunde“ gegründet. Von diesem Verein wurde eine Vielzahl von Aktivitäten und Naturschutzaufgaben bewältigt. Diese „sehr löblichen Vereinszwecke“ fanden die ausdrückliche Unterstützung der Königlichen Amtshauptmannschaft in Plauen.

Einige Jahre später, am 1. August 1883, wurde in Plauen der „Naturschutzverein“ gegründet. Der schrieb sich als ein Vereinsziel ebenfalls den Schutz der Natur- und Nutzvögel auf die Fahnen.

Der erste Verein in der Stadt Plauen, der sich aber offensichtlich ausschließlich mit ornithologischen Fragen aller Art befasst hat, war der Ornithologische Verein Ornis. Der gründete sich am 24. Januar 1892 mit Hermann Immisch als erstem Vorsitzenden. Als Zweck ihrer Tätigkeit schrieben die Gründungsmitglieder ins Vereinsstatut: „Förderung der Vogelkunde, Pflege der Singvögel etc“.

 

Vogelkunde Karte

Unter den Fittichen der Kommune: Die Stadt Plauen engagierte sich für den Vogelschutz als aktives Vereinsmitglied. Ehe sie ihren Beitrag lockermachte, musste der Vereinsvorstand die Verwendung des Geldes und geplante Vorhaben darlegen. Abbildung: Stadtarchiv Plauen

 

Leider ist es bis zum heutigen Zeitpunkt nicht gelungen, Dokumente oder Nachweise, wie zum Beispiel Statuten, Tagebücher, Versammlungsniederschriften, Protokolle, Fotos oder anders zur Arbeit des Ornithologischen Vereins Ornis Plauen aufzufinden.

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Tatsache ist aber, dass der Verein ab dem Jahr 1925 nicht mehr im Adressbuch der Stadt Plauen verzeichnet ist. Sicher dürfte deshalb sein, dass er sich in den Jahren 1924/1925, aus welchen Gründen auch immer, aufgelöst haben muss. Ausgeschlossen werden kann aus jetziger Sicht aber auch nicht, dass man sich der Ortsgruppe Plauen des Bundes für Vogelschutz anschloss oder diesem Bund offiziell beitrat.

Der Bund für Vogelschutz e.V. wurde 1899 als Bund für Vogelschutz Stuttgart gegründet. In Plauen rief 1910 Hauptmann Freiherr Colin James Rudolf von Halkett eine Ortsgruppe ins Leben. Die Plauener Gruppe gehörte zweifellos von Anfang an zu den größeren im Reich. Schon am 1. Oktober 1912 hatte sie 740 Mitglieder. In der „Ornithologischen Monatsschrift“ wird berichtet, dass am 1. Oktober 1912 in Deutschland insgesamt 33.000 Personen Mitglied des Bundes für Vogelschutz waren.

Auch die Stadt Plauen zögerte nicht lange, als Halkett den Oberbürgermeister und den Rat der Stadt im Februar 1911 bat, „dem Bunde für Vogelschutz als Mitglied mit einem jährlichen Beitrage“ beizutreten. Welche Summe sich der Freiherr vorstellte, schob er auch gleich nach: „Die Stadt ist Besitzerin ausgedehnter Waldungen und schöner Parkanlagen und dadurch ganz besonders berufen, den Vogelschutz tätig zu unterstützen. Die Höhe des jährlichen Beitrages steht im freien Ermessen des sehr geehrten Rates – nach dem Beispiel der schon beigetretenen Städte halte ich bei der Größe und Bedeutung der Stadt Plauen 50 Mark für angemessen. Der Ortsgruppe Plauen sind seit ihrer Gründung … 150 Mitglieder, darunter 13 auf Lebenszeit, beigetreten.“

Der Stadtrat zu Plauen handelte sehr schnell. Bereits am 1. März 1911 wurde im Ratsfinanzierungsausschuss über den Antrag beraten. Der Beschluss fiel positiv aus, Plauen trat dem Bund für Vogelschutz bei, wenn auch nicht mit 50, sondern nur mit 30 Mark Jahresobolus.

In den Jahren nach 1945 wurde die organisierte Arbeit der Ornithologen dem am 3. Juli 1945 neu gegründeten „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ (ab 1958 Deutscher Kulturbund, ab 1972 Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik) zugeordnet und dort in der Fachgruppe Ornithologie sehr erfolgreich fortgeführt. Zeitweise hatte die Fachgruppe auch den Namen „Ornithologie/Botanik“ bzw. „Ornithologie und Vogelschutz“.

Der Kulturbund war in der DDR die Dachorganisation aller Interessengruppen, die sich einer organisierten wissenschaftlichen Freizeitbeschäftigung widmeten. Den früheren Mitgliedern naturwissenschaftlicher und heimatkundlicher Vereine stand er allerdings zunächst nicht offen. Erst als sich im Jahre 1950 die Natur- und Heimatfreunde wieder etablieren durften und im Kulturbund ihre Heimstatt fanden, war eine Fachgruppenarbeit wieder möglich. Die 1980 innerhalb des Kulturbundes gegründete Gesellschaft für Natur und Umwelt unterstützte und förderte wirkungsvoll den speziellen Naturschutz.

Im Oktober 1950 fand in Leipzig auf Einladung des Kulturbundes die erste zentrale Ornithologentagung in der DDR statt. Im Ergebnis der Beratungen entstanden der Zentrale Fachausschuss Ornithologie und Vogelschutz (ZFA), die Bezirksfachausschüsse (BFA, ab 1952) und die Fachgruppen in den Kreisen. Vom ZFA wurden anfangs jährlich, später in zwei- bis dreijährigen Abständen mehrtägige Tagungen durchgeführt. Die Mitglieder der Plauener Gruppe waren daran immer beteiligt.

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Denn die Plauener Vogelkundler leisteten mit ihrem Hobby auch wissenschaftliche Arbeit. Eine enge Zusammenarbeit bestand mit dem Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle, Außenstelle Dresden, der Vogelwarte Hiddensee der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, der Vogelwarte Radolfzell, der Zentrale für Wasservogelforschung der DDR an der Pädagogischen Hochschule Potsdam und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Sektion Biowissenschaften, Fachbereich Zoologie.

Nicht unerwähnt darf die Vielfalt der Aufklärungsarbeit der Fachgruppe zum Vogelschutz für breite Kreise der Bevölkerung bleiben. Ob mit speziellen vogelkundlich-botanischen Wanderungen oder Exkursionen, in Arbeitsgemeinschaften an Schulen, mit Lichtbildervorträgen und Ausstellungen im Rahmen des Kulturbundes bzw. des Vogtländischen Kreismuseums oder während der jährlichen Naturschutzwochen, mit ungezählten Artikeln und Veröffentlichungen in Tageszeitungen oder Monatsschriften, überall waren und sind bis in die heutigen Tage hinein die Mitglieder der Fachgruppe öffentlich aufgetreten.

Auch wurde Bemerkenswertes bei der Kartierung der Brutvögel und der wissenschaftlichen Vogelberingung geleistet. Viele Mitglieder der Fachgruppe waren und sind zugleich ehrenamtliche Naturschutzhelfer.

Was man heute Sponsoring nennt, waren zu DDR-Zeiten „Freundschaftsverträge“. Diese, zwischen volkseigenen Betrieben und den Fachgruppen des Kulturbundes geschlossenen Abmachungen dienten der materiellen und finanziellen Unterstützung der Fachgruppentätigkeit. Für die Plauener Fachgruppe der Ornithologen bestand ein solcher Vertrag seit dem Jahre 1975 mit dem VEB Sächsische Zellwolle Plauen. Die Anzahl der in der Fachgruppe aktiv tätigen Mitglieder war zu dieser Zeit allerdings nicht sehr groß. In den noch vorliegenden Mitgliederstatistiken der Kreisleitung Plauen des Kulturbundes werden in der Fachgruppe Ornithologie/Botanik bzw. Vogelschutz für das Jahr 1980 zehn Personen und für das Jahr 1985 sogar nur sechs Personen als aktive Mitglieder angegeben.

Als in den achtziger Jahren der damalige Leiter der Fachgruppe aus persönlichen Gründen sein Amt niederlegte, geriet die organisierte Arbeit und die Präsens der Ornithologen in der Öffentlichkeit leider etwas in den Hintergrund. Unabhängig davon haben einzelne Mitglieder aber stets weiter aktiv gearbeitet.

Bei einer im November 1988 stattgefundenen Tagung der Plauener Gesellschaft für Natur und Umwelt wurde unter anderem beschlossen, innerhalb dieser Gesellschaft die Fachgruppe Ornithologie und Vogelschutz wieder zu beleben. Diese, nennen wir sie an dieser Stelle Neugründung, vollzog sich im Januar 1989.

Die Fachgruppe Ornithologie und Vogelschutz hatte im Januar 1989 insgesamt 41 registrierte Mitglieder. Ab diesem Zeitpunkt ist auch wieder eine aktive und umfangreiche Fachgruppenarbeit dokumentiert.

Am 18. Oktober 1989 wandte sich die Plauener Fachgruppe Ornithologie und Vogelschutz in der Gesellschaft für Natur und Umwelt mit einem Aufsehen erregenden Offenen Brief, der 23 Unterschriften trug, an den damaligen Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willy Stoph. In diesem Brief wurde auf die bedenkliche Umweltsituation im Lande hingewiesen, und es wurden konkrete Forderungen zur Änderung dieser Situation gestellt. Der Brief wurde auszugsweise nur in der großen Wochenzeitschrift „Neue Berliner Illustrierte“ (NBI) veröffentlicht.

In dieser Zeit fiel die Grenze zwischen der DDR und der BRD. Bereits wenige Tage nach diesem historischen Ereignis haben die Naturschützer aus beiden Teilen Deutschlands Kontakt aufgenommen und sich gegenseitig zu Veranstaltungen eingeladen.

 

Vogelkunde Mitglieder

Verein mit Tradition und Herz für die Natur: die Mitglieder der jetzigen Plauener Fachgruppe, hockend im Vordergrund Leiter Werner Limmer.

 

Ein erster Erfahrungsaustausch sächsischer, thüringischer und bayerischer Natur- und Umweltschützer fand bereits am 9. Dezember 1989 in Hof statt. Viele Begegnungen folgten. Bis heute hat sich diese enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit erfolgreich fortgesetzt.

Mitglieder der Fachgruppe wurden im Laufe des Jahres 1990 als Spezialisten zur Sicherung schutzwürdiger Gebiete im ehemaligen Grenzstreifen einbezogen. Am 5. Mai 1990 wurde auf Schloss Augustusburg der Verein Sächsischer Ornithologen (VSO) wieder gegründet.

In diesen Verein ist auch die Plauener Fachgruppe integriert. Die Arbeit der Fachgruppe hat sich seitdem sehr vorteilhaft weiterentwickelt. Sie ist heute mit ihrem Engagement zu einem bedeutenden Bestandteil des heimischen Natur- und Umweltschutzes geworden.

Heute lassen die Plauener Vogelkundler die Öffentlichkeit wieder sehr aktiv am Vereinsleben teilhaben. Zweimal jährlich werden Faltblätter herausgegeben, in denen auf die im kommenden Halbjahr vorgesehenen Vorträge, Exkursionen, Wanderungen usw. hingewiesen wird. Mit wachsendem Erfolg: Die Anzahl der Teilnehmer an den einzelnen Veranstaltungen steigt ständig. (Werner Hopfe)

Die Spitzengeschichten werden Ihnen präsentiert vom Historikus Vogtland. >> zum Historikus Vogtland

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