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Der Zengstnaus*

Spitzengeschichte 32

  Zengstnaus Wie ein vogtländischer Gemütsmensch von ungewöhnlicher Körpergröße einem vorlauten Berliner eine Lektion erteilte.

Wer ne Andersch Fardnand gekännt hoot, der waß aa, wos dös fr e lange Latt geweesen is. Gott ei Gott, war dös e langer Zengstnaus. Denn heet mr scha zweemoll köpfen känne, und noochert passet r immer noch nei kan Sarg, esuo lankschürig is r geween. Drinne dr Nestmoa’s Bierstu’ hoot r geern emoll aans geschmettert, ober scha wenn r zr Stummtür nei wott, mußt r siech e klaans wing bucken, und emoll orntlich ausdähne dorft r siech dorte fei gewieß net, sünst wär r mit’n Nüschel dorch de Deck gerammelt. Kaa Wunner, aß’r do öftersch emoll geexert wuorn is. ‘r bliebet ober fei gewieß kaa Antwort schullig.

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Wenn dr Tav gesogt hoot: „Fardnand, du bist esuo lank, aß de aus dr Dachrinn saufen kast“, do gitt’n dr Fardnand gelossen zr Antwort: „Host recht! Be dan Häusel müßt iech miech zegoar noch ewing bucken!“ Do war dr Tav stiller und beißt e poarmoll nauf sei Zigarr … Und wie se dorte ne Maul ne Gartenzau dorchgeseegt hatten und de Gänsle zammgemaust hamm und dr Koarl zen Fardnand sogt: „Fardnand, du heest kaa Seeg gebraucht, du heest oft geleich übern Zau weggelangt!“, do hoot dr Fardnand wieder ewing gelacht und gesogt: „Host aa wieder recht, Koarl! Du heet’s ober aa net gebraucht. Du freilich wärscht oft geleich zwischen de Stacheeten dorchgekrochen!“ Do helt aa dr Koarl is Maul und macht in ortling Schluck aus san Glos. ‘r wußt aa wienooch; denn r is Schneider geweesen, und wos e orntlicher Schneider is, be denn giehet dr Bauch neiwärtsig.

Wie mr nu dra ne Stammtisch alles geern ewing orntlich durchhechelt, wos drin Ort fürgett, aa de Leut drbei ewing schlecht macht, suo warsch aa dorte wieder emoll. Dra’n Stammtisch is ober aa e Fremmer miet gesetzen, aaner aus Barli, der de Uohrn aa watter hinten gehatten hoot, aß r is Maul orntlich sperangelweit aufbrenge kunnt. ‘r war draun Grüboch bin Spreißel zr Summerfrisch. Freilich itze, wuo de Leut drinne’n gruoßen Staadtne esuo fix nerwiös wern, döß ihne ihre poar Gedanken drin Nüschel rümporzeln … , do sucht mr e Zeit lank emoll goar geern ewing en annersch Ort auf, wuo’s net esuo stinket is und de Luft voller Qualm und Raach. Dora be uns riecht’s freilich aa oft emoll, ober när ewing nooch Kuh oder Ochs, oder ewing nooch sechsvertel Tüll mit Luft, und dodra is noch kaans drstickt, aa noch noa verhungert.

Dr Barliner heet nu aa ‘n Fardnand noch noat gesehe gehatten. Gruoße Menschen freilich scha viel, ober in sötten lange noch noant; und in seiner olbern Sprooch, wuo unner vuogtländische noch tausendmoll schänner drgeeng is, sogt r zu ne; „Sie! Ihre Jröße is man wirklich ja nicht mehr erlaubt. Sie müssen uff janz besondersch jutem Miste gewachsen sin!“ Do hoot dr Fardnand ne Fremme vun uom bis unten mit’n Aange gemessen: Pfui Teufel! Sötte Leut, die de Hoar bis hinten nei’n Genick geschaatelt hatten, aß de Läus oft geleich vun dr Stirn bis no’n Buckel ruscheln kunnten, denne is Schnäuzerle zugestutzt war wie br in Ziegnbuok dr Schwanz und noch drzu vun uom ro esuo fatal gelächelt hamm, sötte Affen kunnt r bis nei’n Tuod net leiden und noch drzu in ganz Fremme, der ne emende goar noch verolbern wott. Ei verdanzig! Do kümmt r na’n rechten!

„Ei oie“, gitt rn zr Antwort, „dr vuogtlännische Mist söll goar gut sei. Ober senne Sie sich fei när itze aa für, aß se emende net aa noch drhöh genne wie suo e Hiefenkluoß. Ihr Maul hoot’s scha lank itze esuo gruoß gezuong, aß mr in Heuwoong drinne ümlenken koa!“ Do hamm de annern dra’n Stammtisch e Lach aufgesteckt un ne Paulhilf sei dicker Bauch is drarüm gehupft, als wott r Wettlaafen machen.

Dös heet ober ne Fremme när noch meh aufgestachelt, und r leßt’n Fardnand ne ganzen Ammd kaa Ruh meh. Ball sött siech der in Knuoten nei de Baa machen, oder e Scharnier zen Zammklappen nei’s Kreuz und wos sünst noch, ober allemoll hoot’n dr Fardnand ogetrumpft wie’s Eichelaß die Spitz. Endlich is’n Fardnand sei Zeit kumme und r machet hamm. Zwölf Seidle Bier hatt r neigebatt, dös war sei Gesatz geweesen, und do gung r kaamoll net drüber naus. Af’m Hammweeg ober heet r siech doch e klaanswing geargert, aß ne suo e hergeloffne Gruoßschnauz esuo zugesetzt hatt. Ne Tav und ne Koarl, denne teet ‘rsch net übel nemme, dös warrn seine Freund, ober denn Fremme – – ?! und e Bosset (Ärger) fährt’n af aamoll nei. Itze wenn r’n dogehatten heet, do heet r’n korz e klar geschloong, aß r seine poar Knochen din in Schnupftüchel heet nooch Barli troong känne und drbei gedacht heet, Uostern und Pfingsten föllt af ann Tog. Und mit aller Parforsche häut r drhamm a’ sei Haustür na – .

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Ne annern Tog, de Sunn hoot gebrennt, als wott se wieder emoll in orntling aufwarme, do schlendert mei Nand ne Lochstaa dingenaus. Ne vuring Tog heet r ausgespannt gehatt. ‘r hatt selber e Maschine drhamm stiehe, wu r ewing glatte Luft druom gehatt hoot. ‘s is e gut’s Müsterle geweesen, ober de Rester mußten erscht ausgebessert wer’n, eh r sche in Plaue liefern kunnt. Wos wott r siech do drwalle drhamm hieproatschen, wuo doch dr Wald sei alles war. Kreuz e dequer straaft r dorchs Holz und kümmt esuo miet na de Thureys Teich. ‘r störlt ewing drin Wasser rüm und denkt drbei, aß ee emoll boden nischt schoden kännt. Fix heet r sei Gack runter, Huosen und Hemm rogestraaft und plätschert drin Wasser rüm. Ei, war dös e Wuohltat! Dös frischt zewengsten wieder ewing auf, itze be dere Hitz, wuo anns mit dr Zeit ‘s Gehern ganz lauter werd. Dr Teich war ewing tief. ‘s Wasser gung ne gerod bis na’n Hals, esuo, döß när noch sei Nüschel rausgucket. Is genne sünst net grod viel Leut dorte naus, ober gerod wie dr Fardnand wieder aus ‘n Wasser steing will, härt r aans kumme. Trapp, trapp, trapp tutt’s, und fix fährt r noch emoll nei.

Will iechs doch erscht vrbei lossen, denkt r, ober wos macht r fr Aang, wie r’n Barliner vun gestern dra’n Teichdamm hoot stiehe sehe. Der hoot’n Fardnand net wieder drkännt, wall de Hauptsach vun denn drin Wasser stok, und r rüft’n zu, aß r aa gern emoll boden möcht. „Do kumme Se när rei!“ ruft dr Fardnand wieder naus, un drbei simpeliert r lank drüber nooch, aß r ne emende net itze aans auswischen kännt fr sei luose Gusch gestern. „Haben Sie man Jrund?“ frögt der wieder vun draun, „ick kann man ich lange schwimmen!“ Itze hat’s dr Fardnand gehatten! Na wart när, du Dingerich du, denkt r. Itze gest de mr emoll ei, und laut sogt r : „Ei oie, Grund heet iech scha, koa aa ganz gut stiehe!“ Bückt siech ober geleich drauf fix neis Wasser, sünst wär r rausgeplatzt.

Gott ei Gott, war dös e dörrer Spreißel, wie dr Fremme nacket dorte stund. Arm und Baa sei ne dra’n Rumpes [Körper] gehängt wie e paar Spänle und de Rie’m [Rippen] sei ne fürgestärzt wie’n Thiele sein Gaul, und mr heet kann Fodenzehler drzu gebraucht, wemmr’sche zehln wott. Nochert steigt r nei’s Wasser und blöst de Backen auf und stüößt mit ‘n Händen und ‘n Banne, als wott r dorch’n ganzen Atlantischen Ozian schwimme. Viermoll – fünfmoll stüößt r, ober bin sechsten Moll is sei ganze Kunst scha ze Ende und werd r schlapp; ‘r koa nimmer watter kumme und sucht mit ‘n Füßen Grund.

Itze reckt dr Fardnand san Kopf drhöh und lünzt wie suo e Heftlemacher: Itze, itze, denkt r. Und waßsettrsch! E Schrack fährt’n Fremme dorch alle Glieder, wie der ewig kann Grund finne koa; erscht noochert, wie is Wasser ball über’n zammgett und r kaa Luft krieng koa. Do fängt r a ze sprudeln und mit’n Händen rümzefuhrwerken und hupft eechal esuo drhöh wie e Karpfen, der Flieng fange will.

Hilfe! will r schreie, ober wie r is Maul aufmacht, bums, do hatt ersch voller Wasser. Tuodesangst stiehet r aus und is werd’n scha ganz schwarz vrn Aangen. Ne Fardnand wörgts ball o vr Lachen, ober wie r denkt, aß nur dr Barliner genunk Wasser geschluckt heet, machet r hie, sackt ‘n ben Kräuterich und setzt ‘n trucken. Is dauert aa net lank, do heet siech dr Barliner wieder drhuolt. Langsam macht r de Aang wieder auf, ober immer grösser wer’n se, wie r denn lange Zengstnaus neem siech hoot stiehe sehe und nu aa ‘n Fardnand drkennt. Der lacht siech ober när aans und sogt: „Gelle he, ‘s is drweeng gut, wemmr oft emoll ewing lank is?“

Aufgeschrieben von Willy Rudert

(* Zengstnaus bedeutet so viel wie ungewöhnlich großer Mensch. Vielen Vogtländern, auch der mittleren und wohl selbst der älteren Generation, ist dieser mundartliche Begriff nicht mehr bekannt.)

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2009-05-14, Foto: Wilhelm Mühsam

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