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Der Kampfgeist eines Plauener Unternehmers

Spitzengeschichte 26

BöhlerIm Jahre 1793 hatte der 25jährige Friedrich Ludwig Böhler (Böhlerstraße) in Frankfurt am Main seinen Arbeitsvertrag gelöst und war als Buchhalter nach Plauen ins Textil-Fabrikhaus “Schreiber & Co.” gewechselt. Das 1786 durch Niederreißen eines Teiles der Stadtmauer vom Straßberger Tor bis zum Nonnenturm erweiterte Plauen hatte 5.000 Einwohner (vgl.: Berlin 150.000, Dresden 53.000, Leipzig 29.000) und die Plauener Baumwollwirtschaft ihre erste Blütezeit bereits hinter sich. Die technischen Neuerungen der Engländer im Maschinenbau, die Erfindung der Dampf- (1769) und Spinnmaschine (Spinning Jenny-1764) und des mechanischen Webstuhls (1785), ließen massenhaft und preiswert Textilien entstehen, welche die hiesigen Produkte vom Markt verdrängten.

Der führende Kopf Plauener Industrie, Johann Christian Baumgärtel, hatte 1790 versucht, sich in England selbst eine Spinnmaschine zu beschaffen. Wegen zu hohem Risikos gelang ihm das nicht, denn schon der Versuch wurde in England mit wenigstens 200 Pfund Sterling bestraft. So brachte die Leipziger Ostermesse von 1800 den Plauener Baumwollwaren gegen die um die Hälfte billigeren der Engländer den Untergang. Baumgärtel, der einstige “Fürst”, ging Bankrott und starb, 59jährig, noch im selben Jahr. Zur gleichen Zeit begann Böhlers Karriere bei Schreiber & Co. Er ritt im In- und Ausland von Messe zu Messe, wurde 1802 einer der Geschäftsinhaber, übernahm selbst am 1. Januar 1809 die Firma und führte sie unter seinem Namen in einen kurzen, aber heftigen Aufschwung. Der Krieg Napoleons hatte erneut Handel und Gewerbe in den deutschen Ländern lahmgelegt.

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Trotz jenem Auf und Ab wirtschaftlicher Entwicklung, vielleicht aber gerade seinetwegen, wendet sich die Plauener Weißwarenherstellung dem Levantehandel zu und setzt weiter auf Qualität. Anstatt billiger als die Engländer, bot Plauen einmalige Qualität und verkaufte dutzendfach teurer. Die Idee hatte Erfolg und sie stammte vom verstorbenen Baumgärtel. Der sprachgewandte und kühl rechnende Böhler ist es, der sich nicht entmutigen lässt. 1820 stellte er in seiner alten Fabrik am Mühlgraben die ersten, mit Wasserkraft betriebenen, mechanischen Webstühle auf. 1825 beteiligt er sich an einer Ausstellung für Industrie- und Manufakturwaren in Dresden, die ihm die “Goldene Preismedaille” einbringt und, obwohl die Satzung es nur einmal gestattet, erhält Böhler sie ein zweites und ein drittes Mal. Die politischen Wirren glätten sich, Böhler erweitert die Firma, die sich seit 1826 “F. L. Böhler & Sohn” nennt und führt Neuerungen, wie modernisierte Bleichverfahren und bessere Appreturen ein. In Böhlers Erfolgszeit fällt im Jahr 1828 die Erfindung der Stickmaschine durch den Elsässer Josua Heilmann.

Um zwei dieser Maschinen bemüht sich Böhler 1836, muß jedoch feststellen, dass deren Technik bei Weitem nicht ausgereift, für ihn also unbrauchbar ist. Nun war Böhler versiert in Herstellung und Appretur (Veredlung) von textilem Gewebe, nicht aber in seiner Zurichtung durch Stickerei. Sein Denkansatz aber war bemerkenswert. Er sollte 21 Jahre später vom Plauener Unternehmer Fedor Schnorr wieder aufgegriffen werden. Für Böhler aber, so zeigt die Episode, hatte sich der mittelalterliche Handwerkerspruch vom Schuster, der bei seinen Leisten bleiben solle, längst überlebt. Böhlers Leisten waren das Erzielen von Gewinn, jenseits der konjunkturell hochempfindlichen, textilen Branche; wenn es sein musste, also Abseits vom Fach. Auch dies eine Idee, mit der 65 Jahre danach der Fabrikant Robert Zahn Erfolg hatte. In der Schweiz hingegen, hatte man den Wert der Heilmannschen Erfindung erkannt. Man forschte und entwickelte sie weiter, bis ihre Vervollkommnung den nutzbringenden Einsatz gestattete. Im Schweizer Wetzikon entstand das Weltzentrum des Stickmaschinenbaus. Bemerkenswert ist das Lebensmotto aus Böhlers eigener Feder;

 

Lebe, wie du, wenn du stirbst

Wünschen wirst gelebt zu haben;

Güter, die du hier erwirbst

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Würden, die dir Menschen gaben,

Nichts kann dich im Tod erfreun

Diese Güter sind nicht dein.


Die Redaktion bedankt sich bei Achim Leißner für die Zuarbeit. (ce)

15.02.2009

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